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  • Clara Schaksmeier

Dear Discrimination: Ein Mitmachbuch zur antirassistischen Weiterbildung

‚Ally’ kommt aus dem Englischen und bedeutet ‚Verbündete*r’. Allies sind Menschen, die nicht Teil einer von Diskriminierung betroffenen Gruppe sind, diese aber aktiv unterstützen. Ich zum Beispiel habe als weiße cis-Frau zahlreiche Privilegien. Diese zu nutzen, um andere wahrhaftig zu unterstützen, ist gar nicht so leicht. Das habe ich oft genug festgestellt. Schließlich bin ich, sind wir alle, in einem rassistischen und diskriminierenden System aufgewachsen. Wir haben jahrelang gelernt, unsere Privilegien nicht zu hinterfragen und –ismen unreflektiert zu reproduzieren. Zum Glück gibt es Literatur, die bei der Weiterbildung hilft.


„Dear Disrimination“, geschrieben von dem netzaktivistischen Kollektiv Wirmuesstenmalreden (erschienen bei mikrotext 2020) ist das perfekte Mitmach- und Begleitbuch für Allies und die, die es werden wollen. Es hilft insbesondere weißen Leser*innen, sich antirassistisch weiterzubilden. Mit seiner liebevollen und durchdachten Aufbereitung leistet das Buch einen wertvollen Beitrag zum Kampf gegen Diskriminierung.




Schnell wird beim Lesen klar: Hier schreiben drei Frauen, die wissen, wovon sie reden. Und: „Hier geht es nicht vorrangig darum, ein bequemes Leseerlebnis zu schaffen, sondern etwas zum Thema Antirassismus zu lernen“ - und das ist nun mal nicht angenehm. Mit Nachdruck fordern sie dazu auf, sich dennoch unbedingt zu dem Thema weiterzubilden und kritisch zu sein. Denn „es liegt in der Verantwortung weißer Menschen, sich mit Rassismus aktiv auseinanderzusetzen“.


Kein Buch im klassischen Sinne


In dreizehn Kapiteln sezieren die Autorinnen, drei mehrgewichtige, light-skinned Bi_PoC rassismusrelevante Themen. Sie klären unter anderem über Empathie, Diversität, Privilegien und Criticial Whiteness auf. Die Leseabschnitte sind kurz, durch ihre hohe Informationsdichte dennoch sehr intensiv. Es wird deutlich: Im Kampf gegen Rassismus muss von den Negativbetroffenen und deren Empfindungen und Bedürfnissen ausgegangen werden, nicht von der eigenen privilegierten Weltanschauung. Hier ist Wissen, Reflexion, Empathie und sensibles Agieren gefragt – und das muss bewusst erlernt werden.

Es ist “kein Buch im klassischen Sinne”. Es ist eine „Chance, marginalisierten Stimmen zuzuhören und die eigenen internalisierten Diskriminierungsformen zu erkennen, zu analysieren und daran zu arbeiten, sie zu vermeiden“. Mit seinen interaktiven Elementen und aufschlussreichen Infotexten eröffnet der Ally Guide neue Blickwinkel, sowohl auf einen selbst als auch auf das Thema Rassismus. Dieses Mitmachbuch sollte von jeder Lehrkraft gelesen werden. Jede Lehrkraft sollte ein Ally sein (wollen). Am besten wird „Dear Discrimination“ gleich zur Grundlage eines Reflexionsseminars im Referendariat. Schließlich ist es wichtiger denn je, dass wir Lehrkräfte und Multiplikator*innen die eigenen Privilegien erkennen, diskriminierende Strukturen durchbrechen und Wege für ein neues, gerechtes Miteinander erschaffen.



Der Ally-Guide als Herzstück des Buches


Der zwölfschrittige Ally-Guide zum Herausnehmen und Aufhängen ist das Herzstück des Buches. Klar und präzise legt er dar, was primär als weiße privilegierte Person zu beachten ist, um Hegemonien zu vermeiden und um nicht in eine performative Allyship zu rutschen. Manche Menschen tuen so, als würden sie sich für Negativbetroffene einsetzen, sie performen. Im schlimmsten Fall performen sie, um ihr Image oder Selbstbild zu verbessern. Damit ist niemandem geholfen. Ally zu sein bedeutet nicht , einfach nur schwarze Kacheln auf Instagram zu posten. Es bedeutet primär, sich weiterzubilden und "andere privilegierte Menschen auf ihre Ignoranz hinzuweisen und diese aufzuklären. Allyschaft bedeutet Betroffenen Arbeit/Last abzunehmen und sie vor Diskriminierung zu schützen." Für alle, die gar nicht darauf warten können, sich neues Wissen anzueignen, gibt es gute Nachrichten: der Guide ist auf der Seite von Wirmuesstenmalreden auch digital und kostenfrei zugänglich.


Verschiedene interaktive Elemente und Mitmachformate, wie Reflexionsfragen oder Seiten für Notizen und Gedanken machen das Buch zu einem individuellen Lerntagebuch. Hannah Marcs prägnante Illustrationen unterstreichen die Einzigartigkeit dieses Buches. Die Reflexionsaufgaben sind feinfühlig und klug gewählt. Sie reichen von „Warum hast du dieses Buch gekauft?“ über eine Minianalyse von Repräsentationen des Globalen Südens hin zu der Reflexion des eigenen Verhaltens und Denkens in verschiedenen Situationen. Eine Aufgabe besteht darin, eine Liste von Gefühlen zu erstellen, die bei der emotionalen Verortung helfen soll. Solche Denkanstöße verdeutlichen, mit wie viel Achtsamkeit und Umsicht „Dear Discrimination“ verfasst wurde.


Mit dem Glossar zu noch mehr Awareness


Der Kampf gegen Rassismus ist ein aktiver Lernprozess, der niemals aufhört, der so komplex ist und sich stetig wandelt. Mich hat das Buch nachhaltig beeindruckt und geprägt. Es hat mir Denkanstöße gegeben, manche Dinge, die ich dachte verstanden zu haben, noch einmal zu hinterfragen. Hiermit spreche ich eine klare Kauf- und Leseempfehlung für das Buch aus. Bitte, liebe (privilegierte) Menschen, lest „Dear Discrimination“, macht euch auf den Weg und lasst euch von diesem einzigartigen Ally Guide begleiten.


Das Buch schließt mit einem umfangreichen Glossar, welches auch hier zu finden ist, ab. Ich habe mich bereits viel mit dem Thema Rassismus auseinandergesetzt, einiges gelesen und diverse Workshops besucht. Ehrlich gesagt dachte ich, dass ich schon ganz gut aufgestellt sei. Wie viel ich noch zu lernen habe und hatte, wurde mir dank der tollen Frauen von Wirmuesstenmalreden deutlich.


Ich danke Julia, Esin und Nats an dieser Stelle für Ihre relevante Arbeit und ihren Netzaktivismus. Ich wünsche mir sehr, dass ihre Stimmen auch in Schulen und der Lehrer*innenausbildung Gehör finden werden.


Folgt ihnen undbedingt auf Instagram @wirmuesstenmalreden




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